Entwicklung und Technologie – Outcast

TotemsOutcast

Die Technologie von Outcast

Eines der herausstechendsten Features von Outcast ist seine für damalige Zeit in vielerlei Hinsicht revolutionäre und innovative Technik. Auffällig ist dabei vor allem, dass das Spiel bei den Landschaften nicht auf Polygone (3D-Vielecke), sondern auf zweidimensionale Voxel setzt. Dadurch erhielt das Spiel seinen einzigartigen, organisch-runden Look mit hoher Sichtweite und unterschied sich deutlich von den damals deutlich kantigeren Polygon-Engines. Viele zusätzliche Objekte, wie z.B. Häuser, Items oder alle Charaktere sind aber trotzdem gerenderte Polygon-Modelle mit fortschrittlichen Animationen. Für die Darstellung von möglichst lebensechten Animationen wurde ein komplexes Motion-Capturing-Verfahren eingesetzt und mit Keyframe bzw. Procedural Animationen verbunden. Zusätzlich setzte das Spiel auf aufwendige In-Game Zwischensequenzen, Bump-Mapping, True-Color-Texturen, 3D-Echtzeit-Schatten und bis heute beeindruckende Wassereffekte.

OC_model_talansDie eigens dafür entwickelte Engine zum Rendering der Grafik und des Sounds wurde Paradise-Engine getauft. Um die Technologie zu testen wurde deswegen auf dem Weg zu Outcast das Test-Spiel No Respect veröffentlicht. Da die Grafik-Engine keine echte dreidimensionale Grafikberechnung enthielt, war keine spezielle 3D-Grafikkarte, jedoch für damalige Verhältnisse eine hohe Leistung des CPU erforderlich. Auch die Polygonobjekte wurden alle softwareseitig berechnet. Das Spiel bot aufgrund der großen Hardware-Belastung und der langen Entwicklungsdauer nur 3 Auflösungen an (320×200, 400×300 und 512×384 Pixel). Das sehr umfangreiche und intelligente AI-System von Outcast wurde GAIA genannt. Alle Lebewesen hatten dabei ihren eigenen Tagesablauf und Reaktionsschemata auf verschiedene Handlungen des Spielers. Auch im Punkto Sound gab es durch die Nutzung von Creative Labs Enviromental Audio Technologie sehr realistische Umgebungsgeräusche (z.B. an die Umgebung angepasster Hall bei Schüssen).

Entwicklungsanfänge und Prototyp

Outcast wurde über einen Zeitraum von vier bis fünf Jahren entwickelt. Die Väter und leitenden Drei – Yves Grolet, Yann Robert und Franck Sauer – waren mit den damaligen, linearen Adventure-Spielen und herkömmlichen Grafik-Engines unzufrieden. Im Jahr 1994 arbeiteten alle drei für den belgischen Spieleentwickler Art & Magic an zweidimensionalen Arcade-Spielen. Die Möglichkeiten solcher Spiele waren stark eingeschränkt und die 3D-Grafik kam langsam auf. Die Leistung damaliger PC-Systeme schränkte die Möglichkeiten der Polygon-Engines aber stark ein. Eine Alternative versprach die Möglichkeit einer Voxel-Engine.

Beta_OutcastBeta1Das erste frühe Konzept sah eine Handlung in einem fiktiven südamerikanischen Land vor, wurde aus der Ego-Perspektive gesteuert und handelte von einem Kampf mit örtlichen Drogenkartellen. Das Handlungs-Konzept wurde jedoch wieder verworfen und Yves Grolet überzeugte das Team die Handlung in einer Parallelwelt anzusiedeln. Zur Umsetzung ihrer Ideen gründeten Grolet, Robert und Sauer ein eigenes Studio names Appeal. Der Hardwarehersteller Themes finanzierte die Entwicklung eines Prototyps im Gegenzug gegen Anteile am neuen Appeal Studio. So entstand ein früher Prototyp, der später zur Spielregion Shamazaar werden würde. Die Charaktere (inklusive der ersten Talaner und der Twôn-Ha) wurden in dieser frühen Phase noch durch vorgerenderte Sprites dargestellt und erst später durch Polygonmodelle ersetzt.

Entwicklungsverlauf und Publishersuche

Nachdem der Publisher Ubisoft ablehnte, fand Appeal mit dem aufstrebenden Infogrames einen Geldgeber, der das Flagschiff-Projekt unterstützte. Infogrames Geschäftsführer Bruno Bonell war von dem Projekt so begeistert, dass er sofort einen Scheck über €150.000 ausstellte und ein weltweiter Vertrag zu den Markenrechten und zur Vertreibung durch Infogrames abgeschlossen wurde. Anschließend wurden alle Anteile von Art & Magic und Themes erworben. Appeal übersiedelte nach Namur, Belgien und begann den Aufbau eines Entwicklerteams. Dieses Team gliederte sich in eine Abteilung für künstlerische Gestaltung unter der Leitung von Franck Saur und eine Abteilung für Programmierung unter Yann Robert und Yves Grolet, welche sich auch um die Handlung bemühte.

Beta_Shamazaar_02Als Spielercharakter fungierte ursprünglich Stan Blaskowitz, welcher neben einem mantelartigen Gewand einen auffälligen, vogelartigen Helm trug. Dieses Design wurde von der Marketing Abteilung abgelehnt und später durch Cutter Slade ersetzt. Durch die Erschaffung einer eigene Sprache, genannt Agazork, versuchten die Entwickler eine lebendige und glaubhafte Kultur zu erschaffen. Insgesamt wurden knapp 150 eigene Wörter erschaffen. Die detaillierte Ausarbeitung der Kultur ist eines der herausstechendsten Merkmale des Spiels.

Die Kosten der Entwicklung werden insgesamt auf ca. 1,5 Millionen Euro geschätzt, was im Vergleich zu aktuellen AAA Titeln nur sehr wenig ist. Als Flagschiff-Produktion wurde Outcast weltweit mit enormem Aufwand beworben. Das Marketing-Budget betrug ca. 3 Millionen Dollar. Neben Messeauftritten auf der E3 und Magazinwerbung gab es mehrere Trailer, wobei einer sogar im Kino gezeigt wurde. Kritik seitens der Entwickler gab es vor allem an dem Fehlverhalten des Publisher in den USA, wo aufgrund von Umstrukturierungen und Eigeninteressen nicht ausreichend Marketing betrieben wurde und die Verkaufszahlen daher enttäuschend waren.

Veröffentlichung

Outcast erschien am 20.08.1999 im deutschsprachigen Raum in seiner normalen Version auf zwei CD-ROMs. Eine limitierte Sonderausgabe wurde mit 3 CD-ROMs inklusive Bonusmaterial wie ein T-Shirt gleichzeitig veröffentlicht. Ein Jahr später, im Jahr 2000, wurde das Spiel als eines der ersten Titel überhaupt auf DVD veröffentlicht. Auf der DVD-Version sind alle drei Sprachversionen (Deutsch/Englisch/Französisch) und einiges an Bonusmaterial vorhanden. Im April 2010 wurde das Spiel erstmals digital auf GOG.com wiederveröffentlicht. Zusätzlich zur PC-Version gab es Pläne, eine überarbeitete Fassung des Spiels für die Dreamcast-Konsole von Sega zu entwickeln. Das Projekt wurde jedoch nach technischen Schwierigkeiten bei der Portierung zugunsten der Entwicklung des Nachfolgers Outcast – The Lost Paradise eingestellt.

Die Musik von Outcast

Die Musik in Outcast stellt einen ganz besonderen Teil der Welt und Atmosphäre dar. Art Director Franck Saur wünschte sich einen symphonischen Soundtrack im Stile bekannter Hollywood-Filme, obwohl damals General MIDI zum Standard gehörte. Im Jahr 1996 suchte Appeal daher nach einem geeigneten Komponisten und fand Lennie Moore aus Los Angeles. Die Entwickler wollten jemanden haben, der neben der Komposition auch die gesamte Produktion und Aufnahme leiten würde.

Es war Moores erste Komposition für ein Videospiel. Moore, der ohne Zeitdruck an dem Konzept arbeiten konnte, beschreibt den Soundtrack als eine Vermischung von klassischer Musik mit exotischen und esoterischen Elementen. Um die Unterschiede der verschiedenen Welten zu verdeutlichen und ihre Eigenheiten herauszuarbeiten, variierte er beispielsweise bei der Instrumentierung. So verwendet er für die musikalische Untermalung der Stadtwelt Talanzaar eine armenische Flöte, um das Flair des mittleren Ostens zu vermitteln. Für die alte Welt Okaar kamen vor allem afrikanische Schlaginstrumente zur Anwendung. In Okasankaar sind hauptsächlich tiefe Holzblasinstrumente in ihrem tiefsten Register zu hören.

sx16f099Der Soundtrack ist um ein zentrales Leitmotiv aufgebaut:
Dieses Motiv verknüpfte Moore anschließend in allen Stücken mit weiteren Leitmotiven für die verschiedenen Welten. Grundlage war eine hexatonale, symmetrische Tonleiter bestehend aus den Tönen C, Dis, E, G, As und H und daraus resultierend aus den sechs Grundakkorden C-, E- und As-Moll bzw. C-, E- und As-Dur, die als Ausgangspunkt der Stücke dienten. Die Chorpassagen sind in lateinischer Sprache verfasst und basieren auf Vergils antikem Epos der Aeneis. Die Texte entstanden in Zusammenarbeit mit dem Vergil-Projekt der University of Pennsylvania.

OC_LennieFranckBillDie Aufnahmen des Outcast-Soundtracks führte Moore im Sommer 1997 in Zusammenarbeit mit dem Moskauer Sinfonie-Orchester durch, welches von Moores Freund William Stromberg dirigiert wurde. An den Orchesteraufnahmen in Moskau, welche sich über eine ganze Woche erstreckten, nahmen insgesamt 81 Instrumentalisten und ein 24-köpfiger Chor teil. Insgesamt wurde so rund 60 Minuten Musik aufgenommen, wobei Moore auf besonders lange zusammenhängende Stücke Wert legte. Outcast hatte somit einen der ersten von einem vollwertigen Orchester live gespielten Soundtracks. Der lustige Ulukai-Dance-Track am Ende des Spieles wurde übrigens nicht von Moore produziert sondern entstand als eine Art Gag von Franck Sauer, indem er einige Dialog-Samples mischte.